Übergabeverträge

EIN HOFUEBERGABEVERTRAG AUS DEM JAHR 1861

Oldendorf wurde früher überwiegend von ländlichen Anwesen geprägt. Auf den Höfen wurde von den Bauern zu den verschiedensten Anlässen alles schriftlich festgehalten. Sei es ein Verkauf von Land, eine Heirat, eine Hofübergabe, eine Feststellung des Inventars und vieles mehr wurde mit Verträgen besiegelt.

Ausdruck und Schreibweise erscheinen uns heute sehr fremd. Die alte Schrift kann  kaum noch jemand  lesen. Es ist aber überaus interessant, was alles in einem Hofübergabe- oder Ehevertrag festgehalten wurde. Manches können sich die jungen Leute heute gar nicht mehr vorstellen. Es wird heute sicherlich belächelt, wenn in einem Übergabevertrag vermerkt wird, dass unter anderen Dingen auch einmal im Jahr ein Paar neue Strümpfe zur Verfügung gestellt werden müssen.

„Ein paar neue Strümpfe im ganzen Jahr? Wie soll denn das gehen“, fragen die jungen Leute. Ja, da wurden die Löcher und Risse in der Wäsche, der Ober- und Unterbekleidung noch ordentlich und akkurat geflickt und gestopft. Man hatte ja nicht viel und jedes Teil mußte sehr lange halten.

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Lesen wir doch mal  in einem Übergabevertrag eines Bauernhofes (man nannte es damals die 'Leibzucht oder auch Leibgedinge'). Interessant was alles vermerkt war und den Leuten zur damaligen Zeit sehr wichtig erschien.

Aus einem Vertrag von 1861: (Übersetzung siehe Auszüge unten)

Prägung: Königreich Hannover Prägung: Stempeltaxe      20 Groschen

Geschehen Amtsgericht Coppenbrügge

den 22. Februar 1861

gegenwärtig

Amtsgerichts – Assessor Wolckenhaar

und

Actuar Prösch

Es erschienen

1.)    der volljährige Anerbe der Halbmeierstelle No. 18

        in Oldendorf, Johann Friedrich Conrad Knoke daher,

2.)    dessen Mutter Witwe Justine Knoke

        geb.:Breyer, aus Oldendorf,

3.)   der bisherige Vormund des Ersteren,

       Vollmeier Friedrich Tiedau aus Oldendorf

Comparenten ( die Parteien) trugen vor:

Der Anerbe habe seine väterlich durch Ablösung gutsherrenfrei gewordene

Halbmeierstelle sammt allen Zugehörungen und dem Inventare überwiesen

erhalten. Er nehme diese Übertragung an und verpflichte sich dagegen alle

Lasten der Stelle zu übernehmen.

Es folgen weitere Auflistungen, dann nachfolgende Bedingungen:

 1.   Den Freien Wohnsitz im Hause in der Wohnstube des Hausherrn,

 2.   die Kammer über der Wohnstube,

 3.   die kleine Kammer an der Küche, wenn es erforderlich sein sollte, so muß dieselbe zur   Wohnstube eingerichtet werden, wozu ein Ofen  vorhanden ist; ein neuer Fußboden ist herzustellen,

 4.   jährlich 2 Malter Rocken, Michaelis 3 Himten, Martini 3 Himten, den Rest im Januar und Februar.                  ) Anm. Für Roggen + Weizen

 5.   jährlich 2 Himten Weizen in der Mitte December  Anm. 1 Himten = 50 Pfund

 6.   jährlich 4 Malter Hafer im Februar

 7.   jährlich 2 Malter Kartoffel, dazu nöthigen Raum im Keller,

 8.   wöchentlich 1 Pfund Butter und täglich für ½ Groschen Milch,

 9.   ein Schock Eier, auf Mai die Hälfte und auf Martini der andere Hälfte,

10.   von einem 150 Pfund schwerem Schweine von Allem die Hälfte,

11.   freies Licht, freie Wärme und freie Wäsche, das Leibzuchtholz verbleibt dem Hausherrn,

12.   den nötigen Raum im Keller und auf dem Boden,

13.   den Mitgebrauch der Haus- und Küchengeräthe,

14.   den vierten Theil von grünem Obste, auch ist derselbe mit zu dörren,

15.   12  Ruthen Gartenland, nach Belieben zu wählen und vom Hausherrn frei zu düngen

16.   8 Bothen (?) geristeten (Riste=Flachsbündel) Flachs im August

17.   das Brod ist frei vom Wirth zu backen,

18.   sollte die Leibzüchterin versterben, bevor der Bruder des Hausherrn sich verheiratet, so ist ihm die reine Wäsche zu halten und jährlich 3 neue Hemden und ein Paar neue Strümpfe zu geben; auch sind ihm die Hemden und Strümpfe auszubessern,

19.   nach dem Tode der Leibzüchterin fällt die Leibzucht dem Hausherrn zu,

20.   das vorrätige Leinen und Drell, die Kleidungsstücke der Mutter, ihr Bett sollen an den Hausherrn, dessen Bruder und dessen Halbschwester gleichmäßig vertheilt werden; alles Uebrige soll dem Hausherrn verbleiben.

Abfindung

an den Bruder des Hausherrn Heinrich Knoke

1.   an baarem Gelde 500 Th. Courant (= Währung) am Tage der Hochzeit und sind ihm solche von erreichter Volljährigkeit angerechnet mit     

      4 Prozent zu verzinsen,

2.   außerdem am Tage der Hochzeit 100 Th Courant welche aber bis dahin nicht verzinset werden,

3.   an sonstigen Sachen: 12 Stiege Leinen, 6 Stück Säcke, 1 bereitet Bette nebst Spande, 6 Stühle,

4   außerdem von den schon vorhandenen Sachen: 1 Tisch, 1 Koffer, 1 Kleiderschrank, 1 Eßschrank,  welche er sich selbst auszuwählen hat.

  Pro copi

Prösch Actuar

Gerichtsschreiber des Königl. Amtsgerichts Coppenbrügge

Taxa    2 Th.     - gr.  -  pf.

Copial     5

Stempel     24

  beglaubigt   2         5

  Copi für Amt Lauenst.    5

desgl.      5

Cop. z.d. Acta   5

Copie     2         5

 (     2            48       10 )

Summa 3 Th.     19 Groschen

  Cop.den nachst. Gen.a.a.     2      gr.      5 pf.

Begl.(aubigung)  2               5 pf

Cop. vorm. Act  2               5 pf

  7       gr.     5 pf.

  Zust.         5     12       gr.     5 pf.

Bz. 3. April 1861 

Degten

 Gerichtsvogt

Hofuebergabe1

Hofuebergabe2

Anmerkung:10 pf. = 1 Groschen / 30 Groschen = 1 Thaler, Malter = 12 Scheffel = 6 56,700 Liter, Himten = meist ein halber Scheffel, entsprach 30 Liter, Pfund = 500 Gramm, Ruthen = Rute 15 Fuß = 4,3218 m., Bothen = ?, Drell = Stoff für Matratzen Bezüge, Schock = 60 Stück.                    

Geschrieben von CHP 

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