Die Reuß`sche Glashütte

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Der ortsansäßige Glashändler Conrad Heinrich Reuße wurde durch den großen Erfolg der Osterwalder Glashütte von Hinze und Pezold angeregt eine eigene Glashütte zu erbauen. Reuße suchte 1850 bei der Verwaltung des Amtes Lauenstein um eine Erlaubnis nach.

Nachdem ihm das Amt Lauenstein versichert hatte, daß es keiner behördlicher Genehmigung bedürfe, begann er im Jahre 1851 ein Wohngebäude und noch im gleichen Jahr das Fundament für die Glashütte zu errichten. Das etwa 2 Morgen große Fabrikgelände und weitere 4 Morgen Ackerland erwarb er von dem Oldendorfer Bauern Christian Meyer. Dieser besaß die Kötnerstelle 27.

Mit Eingaben versuchten die Osterwalder Glashüttenbesitzer den Bau der Reuße'schen Hütte zu verhindern, da ihnen 1843 das ausschließliche Monopol eines Glashüttenbetriebes verliehen worden war. Einspruch erhob auch der Forstinspektor von Lauenstein, da er durch etwaigen Funkenflug Schaden für die angrenzenden Forsten befürchtete.  Nachdem Reuße 1852 versicherte den Schornstein 60 Fuß (17,5 m) hoch zu bauen, verwarf der Lauensteiner Amtmann alle Einwände gegen den Bau der Glashütte. Erst recht, als Reuße mitteilte, daß der Schornstein nun sogar 70 Fuß (20,4 m) hoch werden sollte.

Am  4. 10. 1852 wurde der Betrieb zur Fertigung von weißem, sowie grünem Hohlglas und Medizinglas mit drei grünen Glasmachern und 2 Lehrlingen, drei weißen Glasmachern, einem Medizin-Glasmacher, einem Pfleger, mehreren Kindern von 7 - 10 Jahren zum Eintragen des Glases und zwei Frauenspersonen zum Stampfen des Thorns, aufgenommen. Das Befeuerungsmaterial, Steinkohle, bezog die Glashütte von der Osterwalder Bergwerksverwaltung.

Glashtte                                                                  

Nach anfänglichen Schwierigkeiten genügend Glasmacher zu finden, war der wirtschaftliche Erfolg nicht mehr auf zu halten. Die Belegschaft vergrößerte sich immer mehr und somit wurde Wohnraum benötigt. Nach und nach entstanden die Wohnhäuser "Kleine Reihe". Da das Hüttengebäude nicht mehr den Anforderungen entsprach, wurde mehrmals umgebaut und 1892 erneut ein großer Umbau vorgenommen. Nun entstanden auch die Wohnhäuser der "Großen Reihe".

Werkswohnungen1892

Auch die Glashüttenbesitzer wechselten. Gegründet 1851/52 vom Glashändler Conrad Heinrich Reuße, ging die Hütte vor dem Jahr 1870 in den Besitz von Rudolp Pieper über. Von diesem wurde die Glashütte am 20.11.1874 an Karl Leopold Reichel und Karl Friedrich Brockmann veräußert. 1885 übernahm der Osterwalder Glashüttenbesitzer Emil Boetticher die Glasfabrik. Nachdem der Kommerzienrat Hermann Wolff aus Braunschweig 1897 die Glashütte übernahm, wurde diese 1899 an die Fabrik für feuer- und säurefestes Glas in Vallendar am Rhein veräußert. Nach deren Konkurs wurde die Fabrik von der Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens aus Dresden, 1902 übernommen. Diese betrieb dort dann die Flaschenfabrikation bis zur Schließung am 26. Juli 1926. Unter der Leitung von Direktor Rumpf wurden Spiritus-, Maggi-, Wein- und Bierflaschen hergestellt, welche in die ganze Welt verschickt wurden. Auch die Lindener Aktienbrauerei  aus Hannover bezog von hier ihre Flaschen.

Glashtte1919

Etwa 200 Arbeiter wurden nach der Jahrhundertwende beschäftigt, davon waren etwa 100 Flaschenmacher. Gearbeitet wurde von Montag bis Samstag von 06.00 - 16.00 und von 18.00 bis 04.00 Uhr.

An Nachwuchs fehlte es nie, denn nach der alten Tradition wurde das Handwerk in der Familie weitergegeben. Nach dem Schulabschluß begannen die Flaschenmacher eine dreijährige Lehre, in der sie die ersten 6 Monate als Hilfsarbeiter arbeiten mußten. Die Ausbildung übernahm nach alter Überlieferung ein älterer Verwandter.

Bei der Arbeit an den heißen Öfen trank ein Flaschenmacher bis zu 10 Liter Flüssigkeit pro Schicht. Wasser mit Ginsengtropfen vermischt, Kaffee und nur selten Bier. Während der Pausen holte ein Junge mit einer Schubkarre vom Gasthaus Dannenberg (später Brandes) Getränke und Tabak.

Das grüne Glas wurde aus Altglas, welches auf dem heutigen Knoke'schen Gelände gelagert wurde, gefertigt. Dem Altglas wurden Quarzsand und Kalisalze zugefügt. Der Quarzsand wurde aus den im Osterwalder Steinbruch gebrochenen Sandsteinen gewonnen. Alt- oder Rohglas, Kalk- und Tonmergel, sowie Kalisalze wurden zugekauft.

Arbeiten1919

Die Tagesprodukte der einzelnen Flaschenmacher, "Machwerk" genannt, wurden durch tägliche Stichproben überprüft. Bei der Arbeit mußte sich der Flaschenmacher auf sein Gefühl und seine Erfahrung verlassen. Der wöchentliche Verdienst eines Flaschenmachers betrug 1926 zwischen 30 - 50 RM. Dieses war von der Geschicklichkeit des einzelnen Flaschenmachers abhängig. Eine Bierflasche brachte 2 1/2 Pfennig, eine Spiritusflasche 3 Pfennig. Fehlerhafte Flaschen wurden den Flaschenmachern nicht bezahlt. Die Einträger verdienten etwa 15,00 RM in der Woche.  In den letzten beiden Jahren vor der Stilllegung fertigte der Flaschenmacher Birkner Weinballons. In einer eigenen Korbflechterei wurden die Weinballons umflochten. Somit waren dort auch 5 - 6 Korbmacher beschäftigt. Die Korbflechterei war noch nach der Stilllegung der Glashütte bis etwa 1930 in Betrieb.

Auf der Glashütte in der Sümpelbreite gab es in der "Großen und Kleinen Reihe" für die Familien 52 Wohnungen. Für die ledigen Glasmacher gab es ein Kantinengebäude, in der diese Verpflegung und Unterkunft erhielten. Es handelte sich meistens um über 30 Kostgänger, welche in dem unteren Teil des Gebäudes wohnten. Die Polizei ging dort ein und aus, denn die Flaschenmacher waren für ihre derben Späße und politische Gesinnung bekannt. In der knappen Freizeit waren die Familien sehr gesellig. Besonders die Musik hatte es ihnen angetan. Es gab ein Bandonionorchester, eine Blaskapelle, einen Männer- und einen Frauengesangverein, einen Sport- und Turnverein, sowie eine Vereinigung für Naturfreunde. Häufig wurden auch kleine Theaterstücke aufgeführt.                                                                                               

Obwohl die Glashütte in der Sümpelbreite politisch zu der Ortschaft Oldendorf gehörte, waren die Familien mehr nach Osterwald orientiert. Einwohnerzahlmäßig gab es auf der Glashütte mehr Einwohner als in Oldendorf.

Rationalisierungsmaßnahmen innerhalb der gesamten deutschen Glasindustrie brachten es im Jahre 1926 mit sich, daß die Glashütte am 26. Juli geschlossen wurde. Dieses hatte zur Folge, daß auch alle Arbeiter entlassen wurden. Aus der Not heraus gingen viele Familien in andere Glashütten innerhalb Deutschlands. Einige schlugen sich mit Gelegenheitsarbeit durch, gingen zur Eisenbahn Hannover oder zur Firma Pleissner, bzw. zur "Waggonfabrik" in Elze.

1930 wurde die Glasfabrik auf Abbruch verkauft und von  Maurermeister Grieße aus Oldendorf abgerissen. Die Wohngebäude wurden verkauft und der Schornstein 1932 gesprengt

Ansicht
Die alten Bilder wurden uns freundlicherweise von Elvi Hölscher zur Verfügung gestellt Informationen aus 400 Jahre Osterwald

 

Glashütte 2015  - einige Ansichten von heute -

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Text und neue Fotos von CHP -  Wir bedanken uns für die zur Verfungung gestellten alten Fotos

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