Die Zuckerfabrik

GRÜNDUNG DER ZUCKERRÜBENFABRIK 1875 - STILLLEGUNG 1919

Firma Zuckerrübenfabrik Oldendorf – Bahnhof Osterwald – Art des Betriebes: Rübenzuckerfabrik - Ort der Anlage: Am Bahnhof Osterwald Haus Nr. 129 - Art der Betriebskraft: Dampfkraft -

Bild Fabrik

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Preußen im Rahmen der Suche nach Ersatzstoffen für teure Kolonialwaren ein Ersatz für den Kolonialzucker entwickelt: Zucker aus der heimischen Zuckerrübe.

Die Rübenzuckerindustrie erlebte ihre Gründerzeit Mitte der 1830er bis Anfang der 1870er Jahre. In einigen Regionen war sie die erste nennenswerte Industrie und Auslöser für weitere wirtschaftliche Entwicklungsprozesse. Der Arbeitsmarkt erhielt Impulse durch den höheren Arbeitsaufwand beim Zuckerrübenanbau und der im Herbst und Winter erfolgenden Rübenverarbeitung in den Zuckerfabriken

Es war der Beginn des Siegeszugs eines neuen Genussmittels, das schon bald für breite Bevölkerungsschichten verfügbar wurde. Sowohl die Entdeckung des Zuckers in der Runkelrübe durch den Direktor der physikalischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Andreas Sigismund Marggraf (1709 – 1782) als auch deren züchterische Weiterentwicklung zur Zuckerrübe durch dessen Schüler und Nachfolger Franz Carl Achard (1753 – 1821) fanden in Berlin und seinen Vororten statt. Bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich diese neue Feldfrucht einen festen Platz auf den Äckern erobert. Am Ende des Jahrhunderts war der Rübenzucker wichtigster Exportartikel des Deutschen Reiches. Bereits um 1860 wurde nahezu der gesamte deutsche Zuckerbedarf mit Rübenzucker gedeckt.

Die großen Agrarreformen kamen im Calenberger Land in den 1870er Jahren zum Abschluss. Die Anbauflächen der Landwirtschaft wurden zu Lasten von Weide und Wald ausgeweitet. Die Gründung zahlreicher Zuckerfabriken im Umkreis Hannovers zeigt, dass seit dieser Zeit verstärkt Zuckerrüben angebaut wurden. Nach dem Preisverfall für Getreide, Hauptauslöser für die Agrarkrise der 1870er Jahre, fanden Landwirte im Zuckerrübenanbau eine lukrative Alternative.

Geschftsbericht Aussch.

25 Jahre Jubilum


Gründung:

In ihrer Ausgabe vom 3.8.1875 schrieb die Dewezet: „Gestern hatte sich im Nolteschen Gasthaus zu Oldendorf eine große Anzahl Landwirte versammelt, um über die Anlegung einer Zuckerfabrik am hiesigen Bahnhof zu verhandeln. Das Unternehmen, dem die Gegner des Osterwalder Bahnhofes stark entgegen zu arbeiten gesucht hatten, * ist als gesichert zu betrachten, denn es sind nahezu tausend Morgen Rübenbau gezeichnet und ist auf eine fernerweite Zeichnung von 500-700 Morgen mit Sicherheit zu rechnen. Weiter teilte die dewezet mit, dass der Bau der Zuckerfabrik Emmerthal gesichert sei und daß außer in Oldendorf noch in Coppenbrügge und Hasperde Aktiengesellschaften in der Bildung begriffen seien. Tatsächlich lud am 1. August ein „Comité der Zuckerfabrik Coppenbrügge in einigen Annoncen zur Feststellung der Statuten sowie Zeichnung von Aktien ein.

Der Landwirt Nacke aus Oldendorf ist wohl die treibende Kraft zur Gründung der Fabrik gewesen.

Die erste Generalversammlung des neuen Unternehmens fand am 8. August im Nolteschen Gasthof in Oldendorf statt. In die Geschäftsführung wurden gewählt die Herren:

Nacke (Vollmeier, Oldendorf),

Tiedau (Bürgermeister, Hemmendorf),

Bartels (Vorsteher Oldendorf),

Budde (Vorsteher, Esbeck),

Ritter (Gutspächter, Voldagsen).

Den Auftrag für den Bau erhielt die Braunschweigische Maschinen-Bauanstalt, die auch finanziell großzügig sein konnte. Die Gründer von Oldendorf bewiesen Mut, denn im Leinetal gab es bereits die Fabriken Nordstemmen, Elze und Gronau. In der Kampagne 1875/76 verarbeiteten Nordstemmen 475.000 Zentner, Elze 341.00 und Gronau 342.00 Zentner. In Richtung Westen war jedoch keine Konkurrenz vorhanden.

Der Geburtstag der „Zuckerfabrik Oldendorf Bahnhof Osterwald Actiengesellschaft“ war der 8. Juni 1875. Dies besagten die Statuten: “Das zur Errichtung und zum Betriebe der Fabrik erforderliche Grundkapital wird auf 360 000 Mark festgesetzt und in Aktien, jede über den Betrag von 1200 resp. 300 Mark lautend, zerlegt. Die Aktieninhaber waren verpflichtet, Rüben anzubauen, für die große Aktie einen Hektar, für die kleine 25 Ar.

Statuten 1

Statuten 2

Statuten 3

Die Fabrik war für eine tägliche Leistung von 6000 Zentner Rüben vorgesehen und dürfte etwa 9000.000 Mark gekostet haben.

Nach dem Adreßbuch für das Jahr 1887/88 im Institut für Zuckerindustrie Braunschweig setzte sich der Vorstand zusammen aus den Herren:

A. Kamlah (Bisperode, Oeconom),

C. Budde (Oldendorf, Rittergutsbes.),

A. König (Voldagsen, Vorsteher),

H. Nacke (Oldendorf) und

O. Burckhardt (Oldendorf, Inspektor).

Der Betrieb:

Die Fuhrwerke luden ihre Rüben in einem Keller ab, von wo aus sie in das Hauptbetriebsgebäude gelangten, wahrscheinlich per Feldbahn, denn Rübenschwemmen gab es damals noch nicht. In dem zinnengeschmückten Gebäude wurden die Rüben gewaschen, deren Köpfe abgeschnitten und anschließend unter Zollaufsicht gewogen, jeweils 5 Zentner, was zahlreiche Arbeitskräfte erforderte, so daß es meist recht lustig zuging. Danach gelangten die Rüben in die Schnitzelmaschine, die eine runde Diffusionsbatterie beschickte. Das Diffusionsverfahren war damals erst aufgekommen, es stellte einen gewaltigen Fortschritt gegenüber dem Preßverfahren dar, weil eine wesentlich höhere Zuckerausbeute erzielt werden konnte. Im oberen Stockwerk befand sich die Schnitzelpressenstation, von wo die abgepreßten Schnitzel in die darunterstehenden Fuhrwerke fielen. Später, kurz vor der Jahrhundertwende, wurde eine Schnitzeltrocknung aufgestellt. Das Hauptgebäude hat neben der Diffusionsbatterie mehrere wichtige Stationen der Fabrik aufgenommen: Die Saftreinigung mit Kalk und Kohlensäure, die Verdampfstation, die den Dicksaft erzeugte und die Kochapparate mit den zahlreichen Kristallisationskästen. Es gab schon Zentrifugen, die die Kristalle vom anhaftenden Sirup trennten. Direktor Burckhardt, der etwa ab 1885 bis 1919 die Fabrik geleitet hat, wohnte in der Bahnhofstraße 27. Er war ein tüchtiger Fabrikleiter, der sogar seine Korrespondenz selbst erledigte.

Brief S.1

Brief S. 2


Geschäftsbericht:

Aus dem Geschäftsbericht 1886/87 geht hervor, daß die Fabrik nur 54 Tage gearbeitet hatte. Täglich wurden 6.500 Zentner verarbeitet, insgesamt 351.000 Zentner. Hiervon hatten die Aktionäre 185.000 Zentner angeliefert; 120 Zentner je Morgen waren geerntet worden. Der im Saft der Rübe bestimmte Zuckergehalt betrug 14,75 %. Um sich Rechenschaft über die erzielte Ausbeute an Zucker aller Produkte zu geben, wurde auch der aräometrische Gehalt des Saftes (Zucker und Nichtzucker) ermittelt. Der Nichtzucker wurde vom Zuckergehalt abgezogen und dieser Wert sollte mit der Ausbeute übereinstimmen. Es ergab sich nur eine geringfügige Differenz. Für einen Zentner Zucker wurden 8,78 Zentner Rüben gebraucht.

Die Fabrik zahlte 84 Pfennig je Zentner Rüben; lediglich für die von den Aktionären angelieferten Rüben gab es zusätzlich 8 Pfennig. Die Fabrikationskosten betrugen 41½ Pfennig pro Zentner Rüben. Natürlich reichte das Aktienkapital nicht aus, um die Fabrik zu bezahlen, daher waren zwei Prioritätsanleihen über zusammen 375.000 Mark aufgenommen worden. Die Bilanzsumme betrug 1.575.000 Mark. Im Vergleich dazu. Göttingen 1887/88 (3. Kampagne) 1.494.000 Mark und Einbeck 1858/59 (2. Kampagne) 769.000 Mark.

Laut einem Katasterblatt für die Jahre 1901 bis 1906 waren durchschnittlich zwischen 21 und 135 Arbeiter beschäftigt.

Gearbeitet wurden 10 Stunden täglich. Beginn der Arbeitszeit: von 6 ½ Uhr bis 6 ½ Uhr.

Pausen: Vormittags: von 8 ½ Uhr bis 9 Uhr, Mittags: 12 Uhr bis 1 Uhr, Nachmittags: 3 ½ Uhr bis 4 Uhr, evtl. Nachts: von 8 ½ Uhr bis 9 Uhr, 12 bis 1 Uhr, 3 ½ Uhr bis 4 Uhr.

Regelmäßige Kontrollen führte der jeweilige hiesige Polizeibeamte durch und es wurde durch eine Unterschriftenliste protokolliert.

Liste

Dngerverordnung


1915/16 bestand der Vorstand aus den Herren: H. Vespermann (Rittergutsbesitzer, Weenzen), Oberamtmann K. Zimmermann (Coppenbrügge), Direktor Burckhardt (Oldendorf) Rittergutsbezitzer Otto Bartels (Esbeck), und Hofbesitzer H. Bartels (Oldendorf), Vorsitzender des Aufsichtsrats war Ökonomierat O. Remme (Banteln).

Auflösung am 10. Januar 1919

Udo, Direktor in Sehnde, leistete hervorragende Arbeit für sparsamste Wärmewirtschaft, volle Wassserrücknahme auf der Diffusionsbatterie und für seinen hellen Weißzucker. Als die Leitung an seinen Sohn überging, hatte der Vater noch für ein Jahr die Beratung inne. Dann kam es zum Konflikt und der Vater wurde aus der Fabrik gewiesen, die er jahrzehntelang aufgebaut hatte. Hingegen ging Direktor Burckhardt in Ehren ab, als die Fabrik 1919 wegen des allgemeinen Rückgangs des Rübenanbaus stillgelegt werden mußte. Durch Beschluß der Generalversammlung vom 10. Januar 1919 wurde die Gesellschaft aufgelöst. Burckhardt wirkte noch als Liquidator. In der letzten Kampagne wurden nur 228.000 Zentner Rüben verarbeitet, woraus 32.000 Zentner Rohzucker hergestellt wurden.

Die Fabrik war zuckertechnisch mit 12.000 Zentnern täglicher Verarbeitung, mit vierfacher Verdampfung, Trockenscheidung, elektrischen Antrieben usw. noch konkurrenzfähig, doch hätte das Kesselhaus erneuert werden müssen. Wahrscheinlich wurden die Kessel mit Osterwalder Kohle beheizt, denn auf einem Lageplan von 1928 ist auf dem Weg nördlich der Fabrik ein „Kohlegleis des Steinkohlenbergwerks Osterwald“ eingezeichnet.

 * Anmerkung: (1875 wird die Eisenbahnlinie Hameln - Hildesheim gebaut und Oldendorf erhält einen Bahnhof mit dem Namen Osterwald und dieser ist von großer Bedeutung für die Industrie)

Rbe

Rbenmiete


Rübenproduktion in deutschen Landen im 19. Jahrhundert: Der durchschnittliche Zuckergehalt der Rüben stieg in dieser Zeit von 6% 1836 über 7% 1850 auf bis zu 15% 1900, was den Wert der angebauten Rüben enorm steigerte. - Heute liegt der Zuckergehalt bei rund 20%.

Geschrieben von CHP

Quellen: Akte: LaH-Pyr. Nr. 13 f 5 Zuckerfabrik, Akte La-HM-Pyrm. 1909 13d1II, Dewezet Hameln, Zeitschrift „Zuckerindustrie Berlin“, „Dorfgeschichte Oldendorf 1984“

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