Die Kalkwerksbahn

Die Steinbruchbahn des Kalkwerkes Osterwald

Die Pferdebahn der Firma Alves & Co.

Wie die anderen Steinbruchbesitzer hatte auch Heinrich Alves zunächst die Steintransporte mit dem Pferdefuhrwerk durchzuführen, was recht umständlich war, da die Transporte durch den Flecken Salzhemmendorf gingen. Zudem verursachte der umfangreiche Fuhrbetrieb enorme Straßenschäden. Das änderte sich erst, als sich Alves entschloß, einen Steinbruch auf Hemmendorfer Seite zu erschließen, der nach dem Zusammenschluß beider Werke als Steinbruch II (oberer Bruch) bezeichnet wurde. Der Steinbruch I (der untere Bruch) gehörte dem Salzhemmendorfer Werk.

Kalkwerk Bahn 2

Die günstige Lage des Steinbruches ermöglichte die Anlegung einer Transportbahn, für deren Bau im Jahre 1884 die Genehmigung erteilt wurde. Gebaut wurde die Bahn in der für Steinbruchbahnen wenig gebräuchlichen Spurweite von 1000 mm. Es entstand eine trassenmäßig recht interessante Bahn. Sie führte vom Kalkwerk beim Bahnhof Osterwald zum Grünenplan (Flurbezeichnung in der Feldmark Hemmendorf unterhalb des Steinbruches). Nach Verlassen des Kalkwerkes überbrückte die Bahn die Aue und führte auf einem stellenweise aus Kalksteinen aufgeschichteten Bahndamm durch die Saaleniederung um Oldendorf herum. Das Gleis folgte der Elze-Rintelner Chaussee (heutige B 1), kreuzte diese und überquerte dann die Saale. Am rechten Ufer stieg die Strecke zunächst langsam, danach aber sehr steil an, wandte sich dem Berghang zu und erreichte den Bremsberg, der die Fortsetzung der Bahn zum Steinbruch bildete.

Kalkwerk Bahn 5

Kalkwerk Bahn 1Die vom Steinbruch herunterführende Bremsbahn verlief zunächst in nördliche Richtung, machte auf halben Weg eine Biegung und wandte sich in östliche Richtung, bis sie unterhalb des Bremsberges an die Pferdebahn anschloß. Für eine Bremsbahn war diese Streckenführung nicht gerade ideal. Deshalb entschlossen sich die Kalkwerke im Jahre 1890 die Bremsbahn umzubauen und geradlinig in nördliche Richtung zu führen. Für die Neuanlage dieser insgesamt 600 m langen Bremsbahn mußte ein Arbeiterwohnhaus abgerissen und am Wege nach Salzhemmendorf wieder aufgebaut werden.

Die für die Bremsbahn erlassenen Vorschriften, die im Wesentlichen auch für die nachfolgenden Bahnen galten, besagten u.a., daß die Bahn mit einer zuverlässigen Bremse versehen sein mußte. Der Standpunkt des Bremsers hatte möglichst so gelegen zu sein, daß er eine gute Übersicht über die gesamte Anlage hatte. Zudem war zur Verständigung zwischen unterem und oberem Ende des Bremsberges eine sicher wirkende Signalvorrichtung vorzusehen. Ferner wurde verlangt, daß die Verbindung der Wagen mit dem Förderseil so sicher sein mußte, daß ein selbsttätiges Lösen ausgeschlossen war. Jeder Wagen sollte mit einer selbsttätigen Fangbremse ausgerüstet werden. Derartige Bremsen sollten sich bereits anderenorts bewährt haben. Sie bestanden aus zwei mit Eisenschlitzen versehenen Hebeln, die mit dem Förderseil verbunden waren und beim Reißen des Seils sofort herunterfielen, um sich in die Oberbaubettung zu bohren. Diese Forderung wurde nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen, weil beim Reißen des Seiles nur Materialschaden entstanden wäre. Zudem wurde das Seil - das 20 Jahre Sicherheit bot - einer ständigen Kontrolle unterzogen. Darüber hinaus bemerkte die Betriebsleitung der Kalkwerke, daß bei einem eventuellen Reißen des Seiles keine Bremse es vermocht hätte, den Wagen auf einer derart abschüssigen Strecke aufzuhalten. Statt dessen wollte man am unteren Ende der Bremsbahn eine Vorrichtung anbringen, die abrollende Wagen sicher aus dem Gleis werfen sollte.

Eine Personenbeförderung war auf Bremsbahnen ausgeschlossen, lediglich ein mit der regelmäßigen Untersuchung des Oberbaues betrauter Arbeiter durfte auf dem Förderwagen mitfahren.

Kalkwerk Bahn 3Am 20.10.1900 folgte die Genehmigung, den Lokomotivbetrieb bis zum Grünenplan auszudehnen. Damit entfiel der umständliche Wechsel von Pferden auf Lokomotive und umgekehrt, aber nun tauchten andere Schwierigkeiten auf. Mehrere Oldendorfer Landwirte erhoben Einspruch, weil sie den Fuhrwerksverkehr auf den neben der Bahn herführenden Wegen als gefährdet ansahen. Es kam bereits vor, daß die Pferde eines Gespannes beim Annähern der Lokomotive gescheut haben und durchgegangen sind bzw. unruhig wurden und nur mit Mühe am Durchgehen gehindert werden konnten. Der Gemeindevorsteher von Oldendorf war darauf aus, mit Hilfe eines Hamelner Rechtsanwaltes den Betrieb mit der Lok auf gerichtlichem Wege zu beseitigen. Er berief sich auf die bei der Abtretung von Grundstücken gemachte Bedingung, daß der Betrieb nur mit Pferden durchgeführt werden sollte.

Als in dieser Richtung der Erfolg ausblieb, versuchten die Gemeinden Oldendorf und Hemmendorf Entschädigungen für das Überfahren der Wege und Gräben zu bekommen. Oldendorf forderte eine jährliche Summe von je 100 M für jeden der von der Bahn gekreuzten 5 Koppelwege. Die Kalkwerke, die diese Forderung als zu hoch ansahen, erklärten sich aber bereit  der Gemeinde Oldendorf, die seinerzeit für die Genehmigung des Pferdebahnbetriebes jährlich 100 M oder 34 Wagen Steine erhalten hatte, für die Genehmigung des Lokomotivbetriebes den Betrag jährlich um 300 M zu erhöhen oder für je 100 M 34 Wagen Steine zu stellen.

Bahnübergänge

Für den Lokomotivbetrieb waren an der Elze-Rintelner Chaussee und an der Kreisstraße Osterwald-Oldendorf besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, zumal letztere sehr unübersichtlich war und die Bahn aus Richtung Kalkwerk mit einem 450 m langen Gefälle von 1:35.5 auf die Landstraße zustieß. Vorgesehen war ein quer über dem Gleis angeordneter Sperrbalken, den der Lokführer öffnen sollte, nachdem er sich zuvor überzeugt hatte, daß die Straße frei ist. Ein anderer Vorschlag sah je 20 m vor und hinter dem Übergang die Aufstellung von Schildern mit der Aufschrift "Maschine halt!" vor. An diesen Stellen sollte der mit Signalhorn ausgerüstete Bremser den Zug verlassen, um festzustellen, ob der Übergang passiert werden konnte. Alsdann hatte der Zug die Landstraße mit Schrittgeschwindigkeit zu überqueren. Dieser zweite Vorschlag wurde im Wesentlichen angenommen, jedoch mit dem Unterschied, daß statt des Bremsers der Heizer die Übergänge mit einer roten Flagge sicherte. Vor dem Überqueren der Überwege war das Achtungssignal zu geben. Das Läutewerk der Maschine war mindestens 60 m vor der Überkreuzung von Landstraßen, Feldwegen und Eingängen von Feldumzäunungen in Tätigkeit zu setzen.

An den Landstraßen waren etwa 200 m vor Überquerung des Gleises Warntafeln mit der Aufschrift "Halt bei Annähern des Zuges" aufzustellen. Von der anfangs vorgeschlagenen Angabe der Fahrzeiten an den Übergängen wurde Abstand genommen, da bei Gewinnung des Rohmaterials Witterungseinflüsse und andere Betriebshindernisse auftreten konnten, die die Einhaltung genauer Fahrzeiten unmöglich machten. Regnete es, so daß die Arbeiter früher nach Hause gehen mußten, konnte am darauffolgenden Morgen nicht rechtzeitig abgefahren werden, weil die Wagen erst beladen werden mußten. Oft kam es vor, daß an einem Tage 36, am anderen Tage 48 Wagen abzufahren waren, wodurch sich ebenfalls die Fahrzeiten verschieben konnten.

An der Kreisstraße Osterwald-Oldendorf stammte die Pflasterung zwischen den Schienen noch aus der Pferdebahnzeit und war im Laufe der Jahre uneben geworden. Das Gleis wurde um 5 cm höher gelegt und der Raum zwischen und neben den Schienen auf je 75 cm Breite mit Reihenpflaster aus Basaltsteinen von 14-16 cm Größe in der ganzen Breite der Straße versehen.

Westlich von Oldendorf befand sich schon seit früheren Zeiten eine Ausweiche, die aber nach dem 2. Weltkrieg überflüssig war und 1948 abgebaut wurde.

Obwohl die Personenbeförderung verboten war, wurde sie doch mitunter praktiziert, wenn es darum ging, einen längeren Fußweg zu ersparen. In den Dörfern, wo einer den anderen kannte, war es ein Leichtes mitgenommen zu werden.

Eine Zeitlang wurde aber ganz legal Personenbeförderung durchgeführt. Die Genehmigung erteilte der Landrat im Einvernehmen mit der Gewerbeaufsicht in Linden am 20.07.1923.

Vom Bahnpersonal ließen sich nur noch die Beschäftigten aus der Nachkriegszeit namhaft machen. Lokführer war vor 1948 Ferdinand Schmidt aus Benstorf, ab 1948 fuhr Ulrich Urbanke die Lok. Fritz Stille aus Ahrenfeld war Heizer und Klaus Neumann aus Oldendorf fuhr als Bremser mit.  Aushilfsweise wurde auch Friedhelm Müller als Heizer eingesetzt. Im Jahre 1952 verließ U. Urbanke die VOSKA und K. Neumann fuhr zeitweilig die kleinere der beiden Dampfloks. Als Bremser fuhr Alfred Kreft. Nach dem Einsatz einer Leihlok wurde F. Stille Lokführer, K. Neumann war wieder Heizer und A. Kreft blieb Bremser.

Bei Unfällen, die sich im Laufe der Zeit ereigneten, waren besonders die Bremser gefährdet. Beim Rangieren geriet der Bremser Alfred Kreft zwischen die Puffer zweier Wagen. Trotz eines gequetschten Beines verlief der Unfall noch glimpflich. Etwa 1956 verunglückte Georg Baumgarten auf ähnliche Weise. Beim Rangieren von "Zuckersteinen" - kindskopfgroße Kalksteine für die Zuckerfabriken - kam er ebenfalls zwischen die Puffer und verlor ein Bein.

Zur Pferdebahnzeit besorgten den Betrieb zunächst 7, ab 1890 noch 4 Pferde. Die erste Dampflok trug den Namen OSTERWALD und wurde 1899 von Hanomag erbaut.

Mit dem Kalkwerk Osterwald wurde am 27.02.1954 die Vereinbarung getroffen, die Lok leihweise gegen eine Gebühr von 20 DM pro Werktag dem Kalkwerk zu überlassen, sofern die Abmessungen (Länge, Höhe, Breite) den Anfordernissen des Werkes entsprachen. Dem Werk wurde die Maschine gleichzeitig zum Kauf angeboten. Vorbehaltlich des endgültigen Verkaufspreises wurde zugesagt, die Leihgebühr - die das Kalkwerk noch herunterdrücken wollte - auf den Kaufpreis anzurechnen. Obwohl das Kalkwerk Osterwald beim Niedersächsischen Landeseisenbahnamt nach einer zweiten, ähnlichen Lok fragte, hatte die Lok 30 am 16.06.1954 ihren letzten Einsatz auf der Steinbruchbahn. Danach war sie abgestellt und wurde am 09.09.1954 nach Hoya zurückgesandt. Dort war die Lok untersuchungspflichtig abgestellt und sollte anschließend einer Wasserdruckprobe mit äußerer Besichtigung unterzogen werden. Dazu kam es dann aber nicht mehr. Am 25.06.1955 wurde der LfB in Hannover von der kurz zuvor erfolgten Verschrottung der Lok 30 unterrichtet.

Das Ende

Nach Stillegung des Kalkwerkes im Jahre 1957 wurde die Bahn abgebaut. Auf dem Steinbruchgelände waren die Gleise restlos verschwunden. Nur von den Seiltrommeln im Bremshaus hingen noch die Drahtseile herunter. 1972, also 15 Jahre nach der Stillegung, war das Bremshaus schon arg zerfallen. Vom Bremsberg war nicht mehr viel vorhanden. Er endete bei einem Wasserdurchlaß (noch mit Geländer versehen!) vor einer Viehweide. Von der Trasse zum Kalkwerk kündeten noch lange Zeit Bahndämme und Reste von Brücken.

Karte 1

CHP:Quellen: Bahnexpress Steinbruch- und Bergwerksbahnen zwischen Osterwald und Ith - BE 1996 -  A. Lücke und aus unserem Archiv

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